Weltliche Duette

Fortunato Santini hat größtenteils geistliche Vokalmusik komponiert. Dennoch machen weltliche Kompositionen keinen unwesentlichen Teil seines Œuvres aus. Besonders zu nennen sind seine knapp 100 weltlichen Duette in italienischer Sprache, meistens für zwei Soprane und Klavierbegleitung geschrieben. Die kurzen Stücke sind in 15 Sammelhandschriften überliefert, hinzu kommen 6 Einzelhandschriften mit jeweils einem Duett. 11 der Sammelhandschriften verfügen über eine Reihenzählung mit römischen Ziffern auf dem Titelblatt (einige davon mehrfach vergeben). Santini intendierte also wohl, eine gewisse Reihenfolge und Ordnung in diese Werkgruppe zu bringen.

Eine weitere Auffälligkeit ist der Umstand, dass fast alle der Handschriften die beiden oft von Santini verwendeten Gedichte „Per difficilie vie“ und „Natura in ogni parte“ auf dem Titelblatt beinhalten, insbesondere für die nummerierten Sammlungen gilt dies ausschließlich. Eine Art anthologischer Werkgedanke und eine gewisse künstlerische Profilierung haben hier also womöglich eine Rolle gespielt. Hervorzuheben sind auch Santinis Vertonungen von Libretti des bedeutenden Textdichters Pietro Metastasio: So komponierte Santini Musik für Metastasios Strofe per musica in einer Sammlung von 15 Duetten und vertonte 5 Kanzonetten des Dichters in einem weiteren Sammelband. Seine 1823 in Ferrara geschriebene Vertonung eines Abschnitts des Metastasio-Librettos L’Ape ist die einzige, die von diesem Libretto überhaupt überliefert ist. Es handelt sich um ein Duett zwischen Tirsi und Nice für zwei Soprane mit Cembalobegleitung, das sich in einer Sammelhandschrift mit acht weiteren Duetten befindet.

Die meisten Handschriften mit weltlichen Duetten scheinen einen Bezug zu englischen Kontakten Santinis zu haben. Es finden sich englischsprachige Vermerke wie Widmungen oder notierte Versendungen, etwa an Angehörige der englischen Adelsfamilie Stuart oder der Familie Finch Simpson. Viele der Duette scheinen also für das Musizieren in englischen Adelskreisen komponiert worden zu sein und zwar für die Ausführung durch weibliche Angehörige wie etwa Lady Bute oder Lady Sandon aus der Familie Stuart. In diesem Zusammenhang sind wohl auch die Stücke für eine Sopranstimme und Klavier zu sehen sowie diverse geistliche Kompositionen in Duettbesetzung.

Darüber hinaus finden sich englischsprachige Hinweise Santinis auf Korrekturen durch andere Personen in vielen der nummerierten Sammlungen. Einige der Handschriften tragen den Vermerk „corrected by George“. Diese bislang nicht näher identifizierbare Person hat mit schwarzer Tinte in Santinis Handschrift korrigiert und oft Ergänzungen oder Korrekturen mit Rasur vorgenommen. In anderen Handschriften Santinis tauchen Datierungsvermerke auf wie  „P. F. Mr George in Roma nel 1826“ oder „corretto al P. F. dal Sig. George lʼan. 1826“.

Eine weitere Person, die anscheinend genauso von Santini für Korrekturen zur Rate gezogen wurde, ist eine mit dem Namen „Bank“ bezeichnete Person. Alle mit diesem Namen bzw. der Abkürzung „B.“ versehenen Handschriften enthalten Notenkorrekturen mit hellblauer, fast türkisfarbener Tinte. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um den aus Magdeburg stammenden Komponisten und Musikkritiker Carl Ludwig Albert Banck, der erstmals Anfang der 1830er Jahre in Rom weilte und hier unter anderem zu Felix Mendelssohn Bartholdy Kontakt hatte.  Diesen suchte er auch seinerseits zur Begutachtung eigener Kompositionen auf. Mendelssohn charakterisierte ihn jedoch wenig schmeichelhaft: „Er ist klein und blond und kahlköpfig; trägt einen spöttischen Schnurrbart, den ich moustache à peine nennen möchte, keine Halsbinde […] er hat hier zum erstenmal versucht etwas für Orchester zu schreiben, und ich habe ihm meine aufrichtige Meinung drüber sagen müssen, ich habe aber doch gelogen“ (Felix Mendelssohn Bartholdy: Sämtliche Briefe Band 2. Juli 1830 bis Juli 1832, hrsg. von Anja Morgenstern und Uta Wald, Kassel 2009, S. 131).

Tatsächlich tat sich Banck, der wie Mendelssohn ein Schüler Carl Friedrich Zelters gewesen war, vielmehr als Komponist von Liedern und Klavierstücken hervor, Orchesterwerke aus seiner Feder sind nicht überliefert. Für Santini hingegen hatte die kompositorische Meinung Bancks, der in den 1830er Jahren unter anderem Vokalmusikrezensionen für die Neue Zeitschrift für Musik schrieb, offenbar durchaus Gewicht – vielleicht schien er ihm gerade aufgrund seiner musikpublizistischen Erfahrungen sowie seiner eigenen kompositorischen Ausrichtung der richtige Ansprechpartner für die Begutachtung der Duette zu sein. Womöglich nahm Banck die Korrekturen an Santinis Kompositionen erst während seiner zweiten Italienreise in den 1840er Jahren vor. Aus dieser Zeit stammt jedenfalls eine Widmung eines in der Santini-Sammlung überlieferten Exemplars seiner 1835 bei Peters erschienenen „Tre Duettini“ für Sopran, Alt und Klavier. Auf dem Titelblatt schrieb Banck folgende Zueignung nieder: „Al mio stimatissimo amico CBanck Roma 9 l’april 45.“ Dass er als hauptsächlicher Liedkomponist ausgerechnet eine Duettsammlung für Santini auswählte, erscheint vor dem skizzierten Hintergrund umso stimmiger.

Literaturhinweise

Verfasser: Michael Werthmann

28. September 2022

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